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Richtfest im Seniorenheim St.- Josef

Hoffen auf Gott und gutes Wetter

Der graue Rohbau ist mit Tischen und Bänken liebevoll möbliert. Weiße Tücher und leuchtende Sommerblumen lassen die Szenerie im kühlen Schatten der Baustelle angenehm festlich erscheinen. Es wimmelt von Menschen – Herren in dunklen Anzügen, Senioren in modernen Rollstühlen, Blasmusiker in roten Jacken, Zimmerleute in geputzten Schuhen und Dominikanerinnen in strahlend weißer Ordenstracht – das Caritas-Seniorenheim St. Josef feiert Richtfest.

Vor über sechzig Jahren stand auf diesem Grundstück in der Dominicusstraße 13 das St. Norbert Krankenhaus. Am 21. November 1943 wurde es bei einem Bombenangriff zerstört und begrub unter sich 70 Patienten und Angestellte sowie 16 Ordensschwestern. Zehn Jahre später entstand im Zuge des Aufbauprogramms des Senats von Berlin an gleicher Stelle ein Neubau, welcher als Altersheim und seit 1996 als Pflegeheim von dem Orden der Arenberger Dominikanerinnen betrieben wurde.

Im Mai 2004 ging das Seniorenheim St. Josef durch eine Schenkung des Ordens in das Eigentum des Diözesen Caritasverbandes für das Erzbistum Berlin e.V. über. Dahinter standen vor allem wirtschaftliche Überlegungen. Mit seinen nur 33 Plätzen war das Heim nicht mehr rentabel, denn die Zunahme von pflegebedürftigen und demenziell erkrankten älteren Menschen erfordert auch kostenintensivere Betreuungen und mehr Personal. Beides konnte der Orden aus eigener Kraft nicht mehr bewältigen – zu wenig Nachwuchs im Orden ist nur ein Grund. Sieben Ordensschwestern sind derzeit ehrenamtlich im Heim tätig, die jüngste ist 62 Jahre alt und die älteste 80. Schwester Stephana kam 1998 von Kirn nach Berlin und übernahm die Leitung des Hauses. Normalerweise erfolgt im Orden alle sechs Jahre ein Leitungswechsel, doch erst kam die Schenkung und dann begannen die Baumaßnahmen, so dass Schwester Stephana weithin die Geschäfte des Hauses regelt.

Trotz befremdetem Hämmern, Krachen und Quietschen muss der alltägliche Heim- und Pflegebetrieb weitergehen. Dauerhaft eingerüstet und permanent eingestaubt zwischen Kabel, Kran und Kalkgeruch sollen die Bewohner in Ruhe umsorgt und hygienisch korrekt versorgt werden. Da bleibt es nicht aus, dass Mutter Oberin auch auf der Baustelle anzutreffen ist und in der Koordinierung zwischen Bau- und Heimbetrieb mitmischt. Jetzt rücken die Handwerker immer näher. Am 15. September müssen 29 Einwohnern in den viergeschossigen Erweiterungsbau umziehen, denn die Sanierung des Altbaus steht bevor.

Wenn alles gut geht, werden die Bauarbeiten noch acht bis zehn Monate dauern. Dann verfügt das Seniorenheim insgesamt über 96 Plätze. Auch mit der Verdreifachung der Kapazitäten soll die bisherige familienähnliche Wohn- und Gemeinschaftsstruktur aufrechterhalten werde. Neu- und Altbau sind am Ende so umgestaltet, dass Pflegewohngruppen mit 11 bis maximal 17 Bewohnern über einen eigenen Gemeinschaftsraum mit Etagenküche, ein Pflegebad, für Therapiezwecke geeignete Nebenräume und ein Dienstzimmer für das Personal verfügen. Neu sind dann auch der Speisesaal mit Cafeteria, die hauseigene Großküche und Wäscherei sowie der direkte Zugang zur Taufkapelle der katholischen Gemeinde St. Norbert. Viele Heimbewohner sind Katholiken, einige lebten vor ihrem Einzug im Kiez und waren Mitglieder der Pfarrgemeinde. Für die seelsorgerische Betreuung sorgt weiterhin die hausinterne Ordensklausur der Arensberger Schwestern. Selbst in der Gestaltung der Außenanlagen soll sich die Idee von der Familie wieder finden. Geplant ist ein verwunschener Garten mit den kleinen Nachbarn vom Kindergarten nebenan als gern gesehene Gäste.

Auch wenn Schwester Stephana vom Gelingen des Projektes überzeugt ist, kann sie an den pünktlichen Eröffnungstermin nur schwer glauben. Wegen des viel zu langen Winters war der Bau in Verzug geraten und nun sollen die Bewohner in drei Monaten mit Mann und Maus ins Vorderhaus ziehen können? Die Dominikanerinnen beten und die Zimmerleute hoffen auf gutes Wetter. Alle zusammen haben mit dem zünftigen Richtfest, einem kräftigen Eisbein und den segensreichen Worten vom Pfarrer Isodor den nötigen Motivationsschub erhalten.

Auf den runden Eventtischchen stehen vereinzelt Gläser mit Sekt und Orangensaft, an den langen Tafeln löffeln ca. 100 Gäste ihren Nachtisch, die Blasmusiker haben ihre roten Jacken über die Stühle gehängt, ein Zimmermann erklärt zwei Ordensschwestern den Sinn eines Klauenhammers, derweilen sich Bezirksbürgermeister und Caritas-Direktor die Hände drücken. Über all dem Treiben schaukelt die Richtkrone. Schwester Stephana nippt von ihrem Glas und schaut in die Runde – sie muss den Überblick behalten.
(Die Stadtteilzeitung, Ausgabe Nr. 33 - Juli/August 2006)

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